Weser Kurier 29. 4. 2017
Ein verspieltes Genie zwischen Jazz und Klassik
Christian Emigholz
Bremen. Forsch schreitet Iiro Rantala an den Flügel, setzt sich und spielt ein Jazzthema, das allmählich in wolkige Sphären abhebt und irgendwie finnisch klingt, nämlich ein wenig nach „Finlandia“ von Jean Sibelius. So beginnt das Galakonzert zu Ehren des Gastlandes bei der Jazzahead mit dem finnischen Pianisten im großen Saal der Glocke. Es handelt sich um „Pekka Pohjola“, Rantalas Widmung an den 2008 jung verstorbenen gleichnamigen Rock- und Jazzmusiker, und, wie er launig erläutert, es sei das finnischste Stück, das er zu bieten habe. Der 47-jährige Pianist ist eine Ausnahmeerscheinung im Jazz: Er kann vor musikalischem Witz nur so sprühen, kann den radikalen Berserker am Flügel geben, aber auch sehr zart und perlend über die Tasten fliegen, und das alles mit einem begnadeten technischen Können.
Für den Auftakt hat Iiro Rantala drei Solostücke ausgewählt, bevor die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ihm zur Hilfe eilt – darum geht es nämlich vor allem bei diesem Galakonzert! Das zweite ist mit „Imagine“ eine John-Lennon-Komposition, ein ganzes Album hat Rantala mit solchen aufgenommen. Der Witz ist, dass der Finne Lennon in Jazz übersetzt, so dass der Hörer genau horchen muss, bis er die Beatles-Signale hört. Noch um einiges virtuoser ist Rantalas Version von Leonard Bernsteins „Candide“-Ouvertüre, in deren rasendes Tempo er immer wieder kleine Gags einstreut. Dann kommen die Streicher der Kammerphilharmonie und spielen mit Rantala einige seiner Kompositionen. Es ist etwas, das im Jazz „with strings“ heißt, und bei dem der Himmel voller Geigen, Bratschen, Celli und Kontrabässe hängt, was hier oft einen filmischen, manchmal auch süßlichen Touch hat. Das ändert sich erst, als Rantala bei „Freedom“ den Flügel präpariert und Florian Donderer, der als Primus inter Pares auch als Dirigent fungiert, ein Violinsolo in Gypsy-Manier improvisiert. Mit einer fünfsätzigen Suite des im vorigen Jahr verstorbenen finnischen Komponisten Einojuhani Rautavaara, die nur vom Streicherensemble gespielt wird, und mit ihren folkloristischen Motiven sowie erneut Sibelius reflektierende Wendungen gut in den Kontext passt, endet der erste Konzertteil. Im Fokus der zweiten Hälfte stehen Mozart, genauer gesagt sein Klavierkonzert Nr.21 in C-Dur, KV467, und die Frage: Kann eine Jazzpianist das spielen? Die stellt sich im Falle Rantalas nicht wirklich, denn der ist in Klassik wie im Jazz zuhause. Wer den eigenwilligen Pianisten zuvor schon einmal gehört hat, wird wissen, dass er gerne in einen Jazzabend etwas von Bach einstreut, allerdings mit kleinen Ornamenten versehen. So behandelt er auch Mozart, und nicht nur in den beiden Kadenzen des dreisätzigen Konzertes, in denen dieser Freiraum gegeben ist, den er auch weidlich und mit jazziger Lust auskostet. Zusätzlich schmuggelt er kleine Frei- und Frechheiten in Mozarts Themen ein, immer passend und immer mit koketter spielerischer Leichtigkeit. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, nun ein volles Kammerorchester, folgt Rantala souverän und mit sichtbarem Vergnügen an seinen Kapriolen. So kann der umjubelte Abend nicht enden, also folgt noch etwas „with strings“, bis Rantala den Saal „All you need is love“ singen lässt!
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